Das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels

ist ein Forschungsmuseum der Leibniz Gemeinschaft

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Jahresbericht 2012

Grußwort des Direktors

Das Jahr 2012 war das letzte Jahr des Museums Koenig als Landeseinrichtung. Es war geprägt durch die Vorbereitungen auf zwei große Ereignisse: Die Umwandlung des Instituts in eine Stiftung des öffentlichen Rechts zum 1. Januar 2013 und die Evaluierung durch die Leibniz Gemeinschaft im Februar 2013. Beides erforderte intensive Vorbereitung und hat viele Kräfte gebunden.

Zur Vorbereitung der Evaluierung haben verschiedene Gremien des Instituts über unsere weitere Profilbildung beraten. Wesentliche Elemente, die das Museum Koenig von anderen Institutionen unterscheidet und die weiter ausgebaut werden sollen, sind

  1. die eigene taxonomische Expertise, die nach Absprache mit anderen Forschungsmuseen Duplikationen bei Stellenbesetzungen vermeidet,
  2. die Integration der Taxonomie in übergreifende Fragestellungen (Beispiel Methodenentwicklung und Anwendung zur Schnellerfassung der Artenvielfalt, Evolutionsforschung auf der Ebene von enen und Genomen),
  3. die molekulare Biodiversitätsforschung mit einer starken bioinformatischen Komponente und die Nutzung der Methoden durch alle Sektionen des Instituts,
  4. die Schließung der Lücke zwischen der verfügbaren Artenkenntnis und konkreten Anwendungen in Ökologie und Wirtschaft, die erfordert, weitere Expertisen ans Haus zu holen.

Der Wissenschaftliche Beirat hat diesen Prozess begleitet und im September 2012 eine Begehung und Beratung zur Vorbereitung der Evaluierung durchgeführt. Dem Beirat und seiner Vorsitzenden, Frau Prof. Susanne Dobler (Univ. Hamburg), sei an dieser Stelle wärmstens für die kontinuierliche Unterstützung und konstruktive Kritik gedankt.

Die laufende Forschung weist bereits den Weg. Von den größeren Forschungsprojekten hat insbesondere das German Barcode of Life Projekt (GBOL) die Kooperation vieler Sektionen innerhalb des Instituts verstärkt. Die Kuratoren haben dazu beigetragen, die Artenlisten der deutschen Fauna zu vervollständigen und Individuen vieler Arten für die molekulargenetische Analyse verfügbar zu machen. Dazu sind Helfer unter den Bürgerwissenschaftlern eingebunden worden, aber auch Studierende, die geholfen haben, im Rheinland und darüber hinaus Insektenarten und Proben von Wirbeltieren zu sammeln. Deutschlandweit hat das Projekt zu einem intensiven Austausch aller Partner an anderen Museen und auch mit naturkundlichen Vereinen gesorgt. In Europa gilt GBOL weiterhin als Vorbild für andere nationale Initiativen.

Das GBOL Projekt findet ein breites Interesse bei Ökologen, die sich eine baldige Nutzung der bei uns entwickelten Methoden und Daten erhoffen. Bevor es soweit ist, müssen allerdings in unserem Zentrum für Molekulare Biodiversitätsforschung (zmb) neue Techniken für die Analyse von Massenproben getestet und eingerichtet werden.

Das Engagement für die Taxonomie zeigte sich auch in der Organisation der Jahrestagung der Gesellschaft für Biologische Systematik im ZFMK (21.- 24. Februar). ZFMK-Mitarbeiter haben diese Gesellschaft mit aufgebaut, die als Vorbild für die später gegründeten Schwestergesellschaften in der Schweiz und in Österreich diente und die wesentliche Lobbyarbeit und Nachwuchsförderung für die Taxonomie betreibt. Das ZFMK ist ebenfalls eingebunden in die Erstellung eines Weißbuchs für die Bundesregierung zur künftigen Bedeutung molekularer Methoden der Taxonomie durch die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina.

Eine weitere Zugmaschine des Instituts sind die Genomikprojekte des Zentrums für Molekulare Biodiversiätsforschung. Besonders die am zmb entwickelten bioinformatischen Werkzeuge, die für Genomanalysen unabdingbar sind, locken Projektpartner und -gelder aus aller Welt an. Besonders zahlungskräftige chinesische Partner und das 1KITE-Konsortium haben das ZFMK als eine in Europa herausragende Einrichtung erkannt, die die Auswertung von riesigen Datenmengen überhaupt erst ermöglicht. Die Expertise des noch jungen zmb schlägt sich bereits in mehreren hochrangigen Publikationen und Einladungen zu Konferenzen in Europa und in Übersee nieder. Mittlerweile entstehen Engpässe vor allem auf Seiten der Speicher- und Rechnerkapazität am Standort Bonn, die notdürftig durch Kooperationen mit Rechenzentren anderer Institute überbrückt werden.

Das GBOL Projekt, Genomikvorhaben und gemeinsame Planung der Lehre haben Museum Koenig und Universität Bonn stärker verzahnt. Inzwischen denken wir über Möglichkeiten nach, einen gemeinsamen „Campus für Biodiversitätsforschung“ zu schaffen.

Zur Verbesserung des Frauenanteils in der Wissenschaft hat das ZFMK im März 2012 erstmalig den Margarethe Koenig Preis vergeben. Gewinnerin war Frau Dr. Julia Schwarzer, die am ZFMK über Artbildungsprozesse bei Süßwasserfischen in westafrikanischen Flüssen promoviert hat. Der Preis ermöglicht es, nach der Promotion ein Jahr lang Gelegenheiten für eine Fortsetzung der Laufbahn durch Präsentationen auf Tagungen, Fertigstellung von Publikationen, Bewerbungen und Fortbildungen zu schaffen.

Am 31. August feierte das Museum Koenig den 100. Jahrestag der Grundsteinlegung für das Hauptgebäude, das „eigentliche“ Museum. Zu diesem Termin wurde unter Leitung von Herrn Dr. Rainer Hutterer und Herrn Dr. Thomas Gerken eine Sonderausstellung zur Geschichte des Museums nach Grußworten von Staatssekretär Thomas Rachel (BMBF), Staatssekretär Helmut Dockter (MIWF) und Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch eröffnet (Abb. 5). Für die Leibnizgemeinschaft sprach Herr Prof. Dr. Volker Mosbrugger, Direktor unseres Schwesterinstituts „Senckenberg“ in Frankfurt. In seiner Festrede begeisterte Prof. Dr. Wilhelm Barthlott mit Berichten über die Bedeutung der Biodiversität für Wirtschaft und Lebensqualität.

Zur Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung des Museums Koenig mit seinen kulturellen und wissenschaftlichen Aufgaben haben zahlreiche Veranstaltungen beigetragen, die auch Publikum ins Haus lockten, das nicht zu den „normalen“ Besuchern gehört. Dazu gehörte die von der Alexander Koenig Gesellschaft organisierte Ausstellung „Darwin meets Business“ mit Podiumsdiskussionen, die von vielen in der Wirtschaft tätigen Bürgern der Region besucht wurden. Besonders bemerkenswert waren die drei Vorstellungen des Theaterstücks „Faust meets Business“ in Anlehnung an Faust I und Faust II von J.W. von Goethe. Die Irrwege wirtschaftlichen Strebens sind für Biodiversitätsforscher kein Nebenschauplatz, da die Folgen in Form des globalen Artensterbens uns alle betreffen.

Die Alexander Koenig Gesellschaft ermöglichte es uns auch, Herrn Dr. Rainer Hutterer zu ehren, der die Alexander Koenig Medaille in Anerkennung seines außergewöhnlichen Engagements erhielt. Herr Dr. Hutterer ist seit 1977 Kustos für Säugetiere. Er hat die Sammlung gründlich renoviert, neu aufgestellt und erweitert, mehrere Monographien von bleibendem Wert publiziert, und sich besonders für die Bewahrung der Schätze und Archive des Instituts eingesetzt. Er übernahm die Rolle des Institutshistorikers und sammelte dazugehörige Dokumente, führte zusätzlich die Beringungszentrale für Fledermäuse und engagierte sich in archaeozoologischen Projekten in Kooperation mit Anthropologen. Zusätzlich engagiert er sich im „Gartenteam“ des Museums und in der Selbstverwaltung. Diese Vielseitigkeit und Loyalität gegenüber dem Institut verdient besondere Anerkennung.

Im Bereich Wissenschaft wurde die wichtige Kustodie Diptera (Fliegen und Mücken) mit Dr. Ximo Mengual-Sanchis neu besetzt. Die Erfassung der über 9.000 Arten von Dipteren aus Deutschland ist ein zentrales ZFMK-Vorhaben im GBOL Projekt. Für Ökologen sind diese Insekten besonders interessant, da sie in allen Landökosystemen sehr häufig und artenreich sind und somit Zustände der Systeme anzeigen könnten, wäre man in der Lage, die Arten effizient zu bestimmen. Unser neuer Kurator ist sowohl Taxonom als auch Nutzer neuer molekularer Techniken. Zur Verstärkung dieser Aufgaben konnte Herr Björn Rulik mit GBOL-Geldern eingestellt werden, der selbst erfahrener Dipterologe und Kenner der Entomologen-Szene in Deutschland ist.

Der langjährige Kustos für Säugetiere und Bioakustikforscher Dr. Gustav Peters trat in den Ruhestand. Er hat unter anderem eine große Sammlung von Tierstimmen angelegt, die eine wachsende Bedeutung als Grundlage für das bioakustische Monitoring bekommen hat. Für die Kustodie Säugetiere konnte als sein Nachfolger Herr Dr. Jan Decher eingestellt werden. Herr Dr. Decher hat viele Jahre an der Universität Vermont (USA) gearbeitet und sich entschlossen, an das Museum Koenig zu wechseln. Damit gewinnt das ZFMK Expertise und Felderfahrung für Taxonomie und für den Schutz afrikanischer Kleinsäuger sowie für Fledermäuse. Besonders relevant ist auch Dr. Dechers Engagement für das Monitoring von Artenvielfalt in tropischen Landschaften.

Offiziell verabschieden mussten wir auch Frau Dr. Renate van den Elzen. Sie hat sich fast 40 Jahre lang für die Neuorganisation, Neuaufstellung und wissenschaftliche Nutzung der Vogelsammlung bleibende Verdienste erworben. Bleibende Spuren hinterlassen auch ihr Engagement für GBIF (Global Biodiversity Information Facility), Aufbau und Nutzung von Forschungsstationen in Sambia und Namibia, und die Betreuung von Studierenden, die sich für Freilandforschung in Afrika und anderswo interessieren. Legendär sind die mit Herrn Prof. Böhme organisierten Exkursionen zum Neusiedler See.

Die Kustodie Ornithologie konnte mit Herrn Dr. Till Töpfer zukunftsorientiert besetzt werden. Herr Dr. Töpfer hat sich auf Grund seiner Fähigkeit, moderne Forschung sammlungsorientiert und mit Freilandkomponenten durchzuführen, gegen ein hochrangiges Bewerberfeld durchgesetzt. Er hat zuletzt als Ornithologe am Senckenbergmuseum für Tierkunde in Dresden gearbeitet.

Das ZFMK konnte leider auch 2012 die Pläne zur Beseitigung der die tägliche Arbeit behindernden räumlichen Engpässe nicht umsetzen. Die Hoffnungen liegen jetzt unter anderem auf einem starken Votum der Evaluierungskommission, deren Bericht erst im Sommer 2013 zu erwarten ist - und nicht zuletzt auf einer guten Finanzlage des Landes NRW.

Gedenken will ich an dieser Stelle an Frau Elke Beck, die an der Kasse des Museums viele Jahre tätig war und deren Omnipräsenz als Selbstverständlichkeit empfunden wurde. Ihre gute Laune und offene Art haben die Kasse auch für Mitarbeiter stets zu einem Anlaufpunkt gemacht, der jetzt fehlt. Frau Beck verstarb im Januar 2012.

Prof. Dr. J. Wolfgang Wägele